Zum Holocaust-Gedenktag: Die Geschichte einer Überlebenden

Judith Sohlberg war 8 Jahre alt, als sie in einem Nazi-Konzentrationslager Leben rettete. Heute Abend wird sie eine der Gedenkfackeln anzünden.

Archivbild: Zeremonie des Zündens der Fackeln zum Gedenken an die Opfer des Holocaust. Bild: Hillel Maeir/TPS

(Pesach Benson/TPS) – Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs war Judith Sohlberg gerade acht Jahre alt, als sie mit ihrer Familie im Konzentrationslager Bergen-Belsen war – und ihr Vater wollte, dass sie etwas für die Verhältnisse im Lager Ungewöhnliches tat.

“Vater erkannte, dass die Nazis an diesem Tag viele Juden vernichten wollten”, erinnerte sich Sohlberg gegenüber dem Tazpit Pressedienst. “Er bat mich, etwas Ungewöhnliches zu tun. Ich sollte als Mädchen in die Männerbaracken gehen und sehen, wer sich nicht von der Pritsche erheben konnte. Vater sagte, dass jeder, der liegen bliebe, nicht am Leben bleiben würde. Er bat mich, zu ihnen zu gehen, mit ihnen zu reden, ihnen etwas vorzusingen, ihnen etwas zu sagen und sie vor allem zu ermutigen und nicht aufzugeben, bis sie aufstehen”, sagte sie.

Sohlberg ist sich nicht sicher, wie viele Leben sie gerettet hat. “Zehn”, sagte sie gegenüber TPS.

“Aber sie sind aufgestanden.”

Am Montagabend wird Sohlberg eine von sechs Holocaust-Überlebenden sein, die während der israelischen Gedenkfeier zum Holocaust-Gedenktag mit der Entzündung einer Gedenkfackel geehrt werden.

Judith Sohlberg (links), wurde gestern zusammen mit den anderen Fackelanzündern zum Holocaust-Gedenktag von Ministerpräsident Netanjahu in seinem Amtssitz empfangen. Bild: Amos Ben-Gershom-GPO

Der Holocaust-Gedenktag, auch bekannt als Yom HaShoah, ist der Tag, an dem Israel der sechs Millionen Juden gedenkt, die während des Holocausts durch die Nazis getötet wurden. Die nationalen Zeremonien beginnen am Montag bei Sonnenuntergang. Die Flaggen werden auf Halbmast gesenkt. Am Dienstagmorgen um 10:00 Uhr ertönen dann für zwei Minuten die Sirenen, das ganze Land kommt zum Stillstand.

Die 88-jährige gebürtige Amsterdamerin ist verheiratet und hat vier Kinder, 24 Enkelkinder und 33 Urenkel. Einer ihrer Söhne, Richter Noam Sohlberg, sitzt am israelischen Obersten Gericht.

1943, als sie als kleines Mädchen in Amsterdam lebte, plante der niederländische Untergrund, jüdische Kinder in Sicherheit zu schmuggeln. Judith van Dijk und ihre Schwester Elisabeth bekamen die Anweisung, innerhalb von fünf Minuten mehrere Schichten Kleidung anzuziehen und in ein bestimmtes Theater zu gehen. Doch die Mädchen weigerten sich, sich von ihren Eltern zu trennen.

So wurde die Familie von den Nazis in das Durchgangslager Westerbork in den Niederlanden geschickt. Von Westerbork aus sollten die Juden in weiter östlich gelegene Konzentrationslager deportiert werden. Von Westerbork aus wurde Judiths Großvater nach Auschwitz gebracht und ermordet.

Der Rest der Familie van Dijk wurde nach Bergen-Belsen deportiert, einem Konzentrationslager in Norddeutschland, in dem 50.000 Juden vor allem durch Krankheiten und Verhungern starben.

Als sie aus dem Zug stieg, hörte sie “Raus!”-Rufe und sah Deutsche mit Peitschen und Hunden. Die Juden wurden gezwungen, stundenlang in Formation in der bitteren Kälte und im Schnee zu stehen. Judiths Großvater, Rabbi Simon de Vries, starb in Bergen-Belsen.

Judiths Mutter konnte Deutsch und musste in den Büros des Lagers arbeiten. Sie nutzte die Gelegenheit, um verbrannte Brotkrusten zu stehlen, die sie mit ihrer Familie teilte.

Judith und Elisabeth gelang es, eine Sabbatbrothülle zu sticken, sie mit einer hebräischen Inschrift zu verzieren und darin getrocknetes Brot aufzubewahren.

Die Nazis trennten Männer und Frauen in separaten Baracken. Aber wenn Familienmitglieder zusammenkommen durften, ging Judith in die Baracke ihres Vaters, wo er sie dazu aufforderte, sich in die Männerbaracken zu schleichen, um kranke Menschen, die im Bett lagen, zum Aufstehen zu ermutigen, damit sie nicht von den Nazis getötet würden.

Im April 1945, als die Alliierten in Europa vorrückten, wurden die van Dijks und andere Gefangene in einen Zug gesetzt, der ohne bestimmtes Ziel zwischen den benachbarten West- und Ostfronten fuhr. Viele der Gefangenen starben in diesem Zug. Bei einem Halt entdeckten Judith und ihre Schwester draußen einen Sack Kartoffeln, sprangen über die Toten an der Wagentür und schleppten den Sack ins Innere.

“Diese Kartoffeln haben viele Menschen im Zug gerettet”, sagt Judith.

Die Gefangenen des Zuges wurden schließlich von der Roten Armee in der Nähe der ostdeutschen Stadt Trobitz befreit.

Nach dem Krieg kam Judith in die Schweiz, wo sie Saul Sohlberg kennenlernte, einen ehemaligen Klassenkameraden aus Amsterdam. Er hatte den Krieg im Versteck bei christlichen Bauern in den Niederlanden überlebt.

“Ich persönlich freue mich sehr, heute eine Fackel anzuzünden und auch im Namen meines Vaters und meiner Schwester zu sagen, dass es immer Hoffnung gibt und dass wir nicht aufgeben dürfen. Es ist uns gelungen, ein Leben zu retten.”

Die offizielle Gedenkzeremonie mit dem Zünden der Fackeln wird heute um 19 Uhr deutsche Zeit hier live zu sehen sein:



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