Nach Pessach, kurz vor dem Unabhängigkeitstag, ist es üblich, überall die israelische Flagge zu zeigen, am Auto, am Fenster oder im Garten. Diesmal bin ich mir nicht so sicher, ob ich meine Flagge aus dem Schuppen holen soll. Denn sie wird seit Wochen missbraucht. Meine Meinung.
Guten Morgen liebe Leser!
Ich begrüße Euch zum heutigen Mittwoch. Die Woche hat gerade erst begonnen und morgen wird man sich hier bei uns schon wieder einen angenehmen Shabbat wünschen. So besteht die eigentliche Woche eigentlich nur aus vier Tagen, Sonntag bis Mittwoch. Das nennt man positives Denken!

Doch bevor wir uns morgen auf das Wochenende und den Shabbat freuen können, müssen wir erst einmal einen weiteren Donnerstag der Proteste überstehen. Für morgen haben die Gegner der Justizreform einen “Tag des Stillstands” angekündigt, an dem unser tägliches Alltagsleben so weitreichend wir möglich gestört werden soll. ich bin neugierig, was sich die Demonstranten dieses Mal ausgedacht haben, also außer den “normalen” Straßenblockaden und Protesten vor den Wohnhäusern bestimmter Minister.
Bei uns in der Straße konnte ich gestern schon einige Hupkonzerte, Trommeln und Pfeifen hören, hier und da liefen einige Menschen mit israelischen Flaggen durch die Straße. Heutzutage mit einer israelischen Flagge zu gehen, bedeutet, gegen die Justizreform zu sein. Und das ist jetzt ein echtes Problem. In etwa einen Monat feiern wir den 75. Geburtstag unseres Landes und zu dieser Zeit ist es üblich, an Autos, Fenstern und in Gärten die israelische Flagge zu zeigen. Wenn ich also jetzt eine israelische Fahne an meinen Zaun hängen würde, würde es so aussehen, als würde ich die Proteste gegen die Regierung unterstützen. Was für ein Dilemma, oder?
Ich sage damit nicht, dass ich gegen die Demonstrationen bin, ich möchte mich nur nicht öffentlich politisch äußern. Es ist schon verrückt, dass das Zeigen einer Flagge jetzt als eine politische Aussage angesehen werden könnte.
Überhaupt scheinen die Menschen in dieser Zeit Angst zu haben, ihre Meinung zu sagen. Gestern war ich in einem Minimarkt an der Kasse. Vor mir war eine Kundin beim Bezahlen und es gab ein problem mit ihrer Mitgliedschaft im Kundenclub. Heute hat fast jedes Geschäft einen Kundenclub, der den Kunden Sonderangebote und billigere Preise anbietet. Dort ging es um ein 3+1 Angebot, das heisst, man kauft drei Produkte eines bestimmten Herstellers und bekommt dann ein viertes Produkt gratis, natürlich das Billigste von den vier Produkten. Dieses Angebot gilt aber nur für Clubmitglieder. Und genau darum ging es bei der Kundin vor mir (und danach auch bei mir). Das Kassensystem hat die Kundin nicht identifizieren können, daher musste sich die Kundin erneut registrieren. Und das braucht natürlich seine Zeit. Die Kundin und die Kassiererin entschuldigten sich bei mir für die Verzögerung. Ich sagte, es sei kein Problem, ich hätte Geduld und das würde ich wirklich so meinen. Na, dann sei ja gut, lächelte die Kundin und sagte dann: “Heutzutage kann man leider nie wissen, mit wem man es zu tun hat, man hat Angst, offen seine Meinung zu sagen.”
Leider konnte ich ihr nur zustimmen. Mein Beispiel mag vielleicht amüsant und harmlos sein, aber mir wurde klar, in was für einer verrückten Zeit wir uns befinden. Als ich vor kurzem von einem Mitarbeiter meiner Autowerkstatt abgeholt und zu meinem Auto gefahren wurde, kamen wir an dem Haus des Justizministers vorbei. “Habt Ihr hier viel Krach in letzter Zeit?”, fragte mich der Fahrer nett lächelnd. Ich antwortete: “Und wie, ich mag diese Art und Weise nicht, wie hier protestiert wird.”
Danach war es still im Auto, bis wir unser Ziel erreichten.
Wisst Ihr was? Ich werde nachher schon mal nach meiner Flagge suchen. Niemand kann mich daran hindern, den 75. Geburtstag unseres Staates zu feiern. Die israelische Flagge gehört uns allen. Sie sollte uns vereinen und nicht Grund für eine Spaltung sein. Und jetzt wünsche ich Euch einen angenehmen Mittwoch. Wenn Ihr zu irgendeinem Thema Fragen habt, dann könnt Ihr diese hier unten in den Kommentaren stellen. Auch über dem Telegram Kanal von Israel Direkt gibt es eine Möglichkeit, Kontakt aufzunehmen. Macht es gut. Shalom aus Israel!
Vielleicht führen ja die aktuellen starken Meinungsverschiedenheiten doch noch zu einer Gemeinsamkeit. Hoffe und wünsche es für Israel!
Streit kann (!) auch gut sein – er kann zur Offenbarung von Missständen führen / dienen und somit zur Verbesserung von Gerechtigkeit und Recht. Allerdings sollte jeder jeden auch als Mensch dabei achten und respektieren.