Nach acht Tagen Urlaub und Pause von unserem israelischen Alltag geht es jetzt wieder los mit unserer nicht immer leichten israelischen Realität.

Guten Morgen liebe Leser!
Ich begrüße Euch zu einer neuen Woche. Unser Familienurlaub uns beendet, die anderthalb Wochen fühlen sich an wie eine Ewigkeit. Ich freue mich, ab heute wieder hier bei Israel Direkt aktiv zu sein. Es ist ein komisches Gefühl, wieder zu Hause zu sein. Noch vor weniger als 48 Stunden bin ich mit meiner Familie durch die schmalen Gassen Neapels spaziert. Davor sind wir fünf Tage lang durch Rom geschlendert. Es war wirklich eine ganz besondere Woche. Beide von uns besuchten Städte, Rom und Neapel, heben einen bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen. Jede Stadt mit ihrem besonderen Charakter. Rom? Einfach “Wow”, unbeschreiblich, wir sind pro Tag um die 12 Kilometer zu Fuß gelaufen und entdeckten täglich etwas Neues. Nach Rom waren wir dann für zwei Tage in Neapel, eine ganz andere Atmosphäre, nicht weniger beeindruckend als Rom. Der Vesuv immer in Blickfeld. Ich war seit dreieinhalb Jahren nicht mehr im Ausland, vielleicht ist auch das ein Grund für meine Begeisterung. Der Flug von Neapel zurück nach Tel Aviv dauerte nur etwas mehr als zweieinhalb Stunden.
Und nun sitze ich wieder in Israel, zurück im “Balagan”, das hebräische Wort für “Durcheinander”. Es war nett, eine Auszeit zu haben. Doch schon gestern Abend wurde ich wieder an unsere israelische Realität erinnert, als eine Kolonne von “Nur-nicht-Bibi” – Demonstranten an unserem Haus vorbeiliefen, auf dem Weg zu der mittlerweile zur Tradition gewordenen wöchentlichen Demonstration vor dem Haus des israelischen Justizminister Yariv Levin. Als ich die ganzen Scharen von Menschen mit den israelischen Flaggen sah, erinnerte ich mich an die Spiele der israelischen Fußballnationalmannschaft, zu denen ich zusammen mit meinem jüngsten Sohn gegangen war. Es war eine ähnliche Stimmung, wie Ihr im folgenden Video sehen könnt. Trotz des Ernstes der Situation, in der wir uns hier befinden, kommentierte ich das Video mit Humor, als wären die Demonstranten tatsächlich Fans auf dem Weg zum Spiel.
Mit Humor ist alles einfacher, sagt man. Das stimmt, aber leider ist die Situation hier bei uns im Land sehr verzwickt. Unser Volk ist gespalten, zweigeteilt (oder sogar mehr als das), zerstritten. So kann und darf es nicht weitergehen. Die Demonstrationen werden von Woche zu Woche aggressiver. Die Auseinandersetzungen mit der Polizei beginnen immer nach dem offiziellen Ende der Demonstrationen. Gestern wurden Polizisten auf Pferden eingesetzt, um eine Blockade der Ayalon-Schnellstraße zu verhindern.
Der Regierung scheinen die Demonstrationen nicht sonderlich zu stören. Die Gesetzte zur Justizreform werden wie geplant weiter durch die einzelnen Distanzen gebracht. Schon morgen soll es weitere Abstimmungen in der Knesset geben. Ich frage mich nur, wie es nun weitergehen wird. Vielleicht wäre jetzt eine Auszeit, ein “Time-Out” angebracht wie in einem Basketballspiel. Ihr seht, immer wieder denke ich an sportliche Ereignisse.
So wie jetzt kann und darf es nicht weitergehen. Leider habe ich keine Idee, wie wir dieses Problem lösen können. Leider glaube ich auch, dass es auch ohne die geplante Justizreform jede Woche Demonstrationen gegeben hätte. Denn die proteste sind weiterhin in erster Linie, so glaube ich, gegen Netanjahu gerichtet, “nur-nicht-Bibi”.
So, das war es jetzt erstmal. Später geht es weiter mit aktuellen Nachrichten aus Israel. Ich freue mich, wieder bei Euch zu sein. Gerne könnt Ihr hier unten Eure Kommentare und Meinungen zu Artikeln und der Seite Israel Direkt abgeben. Die Seite befindet sich auch jetzt noch im Anfangsstadium. Ich hoffe, bald noch mehr Inhalte anbieten zu können, unter anderem auch gemeinsame Online-Treffen, bei denen wir uns über Themen unterhalten könne, die Eich interessieren. Ich wünsche Euch eine gute neue Woche und einen angenehmen Sonntag. Macht es gut. Schalom aus Israel!
Ein interessanter Blickwinkel: Nicht die de facto Abschaffung der Verfassung und deren moralischer und rechtlicher Grundwerte, sondern die Demonstrationen werden als störend empfunden.
Ich glaube, den meisten Israelis ist nicht klar, welch gewaltiger Umbruch hier von der ultrarechten Regierung geplant ist. Irgendwo im Hinterkopf dämmert da ein „was soll schon groß passieren, es trifft doch eh nur die Araber“ – aber das ist ein Irrtum. Diese Veränderungen treffen alle Menschen dort – manche früher, manche später. Sicher werden die Araber die ersten Opfer dieser religiöser Fundamentalisten und Nationalisten sein – aber dabei wird es nicht bleiben.
Auch in Deutschland 1933 hatte es bald keine Rolle mehr gespielt, ob man selbst „arisch“ war – es genügte, das Regime zu kritisieren, um festgenommen und ermordet zu werden.
Hallo kelte, wie Sie, oder Du, sicherlich schon wissen, gebe ich auf dieser Seite meine ganz persönlichen Eindrücke weiter. Seit ein paar Wochen habe ich jeden Samstagabend den Lärm der Demonstranten vor dem Haus, dabei werden sich noch unsere Parkplätze blockiert. Wir sind quasi eingeschlossen, bis die Demonstranten wieder nach Hause fahren. Der Lärm wird unerträglich. Ich habe mehrmals betont, dass ich gegen Demonstrationen bin, um Gegenteil, ich bin sogar dafür, aber eben nicht in privaten Wohngebieten. Wenn man gegen den Justizminister demonstrieren möchte, dann sollte man es vor dem Gebäude des Justizministeriums machen, anstatt vor der privaten Wohnung, wo seine Kinder Hassreden über ihren Vater hören müssen. Das geht zu weit. In meinem Artikeln gebe ich meine Eindrücke weiter, nur meine eigenen. Dabei habe ich mich nickt einmal zu den Einzelheiten der geplanten Reform geäußert.
Nicht gefallen hat mir der Vergleich zu Nazideutschland im Jahr 1933. So etwas macht man einfach nicht.
Ich bin mit übrigens ganz sicher, dass wir auch ohne die Reform jede Woche Demonstrantionen gegen Netanjahu gehabt hätten. Nur bei uns wäre es vielleicht stiller gewesen. Das Wahlergebnis wird von der andere Seite einfach nicht akzeptiert. Es wird sogar zu einer persönlichen Revolte aufgerufen. Piloten weigern sich, zu den Übungen zu erscheinen. So etwas geht überhaupt nicht.
Vielen Dank für den Kommentar. Diskussionen sind immer erwünscht, Streit nicht. Shalom.
Hallo Dov,
Ich wollte natürlich nicht Israel mit D 1933 vergleichen – mir ging es darum, wie kurz der Weg zwischen der Weimarer Republik und einer katastrophalen Diktatur sein kann.
Da Israel keine Verfassung besitzt, die sogenannten Grundgesetze selbst keinerlei Schutz genießen und mit einfacher Mehrheit einer Regierung beliebig geändert werden können, bedeutet die Abschaffung des derzeitigen Status nichts geringeres als das Ende jeglicher Kontrolle/Gewaltenteilung. Jede Regierung kann danach nach Belieben jedes Gesetz erlassen, es gibt keinerlei Kontrollmechanismus mehr.
Gerade im Bezug auf die extreme Rechtsausrichtung/den Einfluss religiöser Fundamentalisten bedeutet das nichts anderes als den endgültigen Tod des liberalen Israels.
Am Rande bemerkt, sind damit Atomwaffen in den Händen und freien Verfügung von religiösen Fundamentalisten und Nationalisten – ein sehr beunruhigender Gedanke.
(Ein interessanter Blickwinkel: Nicht die de facto Abschaffung der Verfassung und deren moralischer und rechtlicher Grundwerte, sondern die Demonstrationen werden als störend empfunden.)
Das Problem ist vielleicht, dass es keine Verfassung gibt und die Justiz (obersten Richter) selbst Macht Funktionen ausüben – was nicht ihre Aufgabe / Bestimmung ist.
In jedem Rechtsstaat/Demokratie wacht üblicherweise ein Verfassungsgericht über staatliche Entscheidungen. Mangels Verfassung hat in Israel das oberste Gericht diese Aufgabe übernommen und sich dabei an moralischen Grundsätzen, der Unabhängigkeitserklärung etc. orientiert.
Man sollte sich ernsthaft fragen, was diese Regierung plant, wenn dazu im Vorfeld diese Kontrolle/Gewaltenteilung abgeschafft werden soll.