Die Bürger Israels sind gespalten. Die Stimmung im Land droht überzukochen. Jetzt wird es Zeit, wieder zueinanderzufinden, bevor es zu spät ist. Und warum wird noch immer zwischen Aschkenasen und Sepharden unterschieden?
Guten Morgen liebe Leser!
Es ist unruhig in unserem Land. Die Stimmung ist dramatisch. In der Knesset steigen Abgeordnete über die Tische und drohen Andersdenkende mit dem Finger, in Jerusalem stürzen sich 13-jährige Terroristen auf Israelis, mit dem Ziel, zu töten. Gestern kam ein Grenzpolizist auf tragische Weise ums Leben, nachdem er von einem 13-jährigen arabischen Jungen niedergestochen wurde und dann von einer Kugel eines Sicherheitsbeamten tödlich verletzt wurde, der auf den Angreifer geschossen hatte. Bei dem Opfer handelt es sich um einen 22 Jahre alten Beduinen aus Galiläa, der den Dienst im Grenzschutz wählte, um sein Land zu schützen. Was für ein tragischer Tod.
Und wenn damit nicht genug, versammelten sich gestern zigtausende von Israelis vor der Knesset in Jerusalem, um gegen die geplante Justizreform zu protestieren. Es brodelt im Land, die Töne werden immer aggressiver. Unser Volk ist gespalten.
Damit Ihr Euch ein besseres Bild von der Stimmung hier bei uns im Land machen könnt, möchte ich eine Zusammenfassung der Ereignisse von gestern in und vor der Knesset zeigen. Das folgende Video stammt vom englischen Nachrichtensender i24.
Ich möchte noch einmal betonen, dass ich nichts gegen Demonstrationen haben. Jeder Bürger dieses Landes hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern und gegen die Regierung zu demonstrieren. Was mich stört, ich diese aggressive Stimmung unter den Demonstranten, beim Anblick der unglaublichen Szenen aus der Knesset gestern, konnte ich blanken Hass erkennen. Wie können wir unseren Kindern dieses Verhalten der Politiker der Opposition erklären? Ein Parlamentsabgeordneter sollte sich vorbildlich benehmen. Er ist Parlamentarier, das Wort “Parlament” stammt vom französischen Wort “Parler”, übersetzt “Reden”. Ein Parlamentarier sollte seine Meinung und seine Politik mit Worten durchsetzen und nicht durch das Springen auf Tische und Rangeleien mit den Ordern der Knesset. Auch sollte ein Abgeordneter niemanden dazu auffordern, mit Gewalt seinen Willen durchzusetzen.
Die Demonstranten rechtfertigen ihr Benehmen damit, dass sie für die Demokratie kämpfen. Wenn ich mit der Politik der Regierung nicht einverstanden bin, wähle ich bei den kommenden Wahlen eine andere Partei, das nennt man Demokratie. Sogar unser Staatspräsident Herzog, der bekannterweise Mitglied der Arbeitspartei ist und selber einmal gegen Netanjahu angetreten war, sagte in seiner Rede an die Nation, dass man einer neu gewählten Regierung das Recht geben müsste, ihre Politik durchzusetzen, man sollte ihr eine Chance geben. Auch räumte er ein, dass es Platz für eine Justizreform gebe. Dabei sagte er, dass es nicht sein könne, dass unter den 11 Richtern des Obersten Gerichts nur ein Richter sephardischer Abstammung sei.
Und hier haben wir vielleicht einen Punkt erreicht, den nicht alle von Euch verstehen können. Warum reden wir im Jahr 2023 immer noch von Juden sephardischer und aschkenasischer Abstammung? Leider gibt es das immer noch. Die Spannung zwischen den sephardischen und aschkenasischen Juden geht zurück auf die Zeit noch vor der Staatsgründung. Es waren die Juden aus Europa, die zuerst nach Israel zurückkehrten und den Staat gründeten. Dann, in den fünfziger Jahren, kamen die sephardischen Juden aus den Ländern Nordafrikas nach Israel. Sie ließen alles hinter sich und kamen völlig mittellos in das Land, wo sich die Juden aus Europa bereits etabliert hatten. Die sogenannten “orientalischen” jüdischen Neueinwanderer wurden zum Teil sehr schlecht behandelt. Sie wurden, wie sagt man, “von oben” aus betrachtet. Das klingt jetzt recht schlimm, ich weiß.
Und bedauerlicherweise gibt es eben auch heute noch diese Unterscheidung zwischen Aschkenasi und Mizrachi. Wenn sich zwei Israelis kennenlernen, ist auch heute noch die Frage nach den Wurzeln, also Aschkenazi oder Sepharadi (Mizrachi), nichts Ungewöhnliches. Es ist auch meistens nicht böse gemeint, denn es ist ja allgemein bekannt, dass nach der Staatsgründung Juden aus allen Teilen der Welt nach Israel kamen. Nun könnte man meinen, dass fast 75 Jahre nach der Staatsgründung diese Frage nicht mehr relevant sei, schließlich sind wir alle Israelis. Aber man fragt dennoch nach den Wurzeln.
Im Jahr 1981 bekam die Kluft zwischen den Mizrachim und den Aschkenazi einen Höhepunkt. als der beliebte Fernsehstar Dudu Topaz seine berühmte Tschachtschachim-Rede hielt. Drei Tage vor den Wahlen zu Knesset nannte der zur linken Arbeitspartei nahestehende EIntertainer die Wähler der Likud-Partei “Tschachtschachim, die bei der Armee vielleicht gerade mal als Wächter am Eingangstor zu Basis dienen”. Diese herabwürdige Rede über die Wähler der Likud-Partei schlug hohe Wellen und wurde bis heute nicht vergessen.
Und irgendwie scheinen einige aschkenasische Juden noch immer eine schlechtere Einstellung über die orientalischen Juden, die “Mizrachim”, zu haben. Und auch heute werden die Wähler der Likud-Partei als dumm angesehen und herabwürdigend behandelt. Natürlich nicht von allen, aber leider immer noch von nicht wenigen Menschen, die sich als klüger ansehen, zur Elite des Landes, zu denen, die das Land damals aufgebaut haben. Und ich wage zu behaupten, dass die größte Zahl der Demonstranten zu den Aschkenasen gehören.
Wir sollten schnell zur Besinnung kommen und verstehen, dass wir uns nicht spalten dürfen. Nur zusammen sind wir stark. Es gibt viel zu viele Probleme zu bewältigen, noch immer haben wir um unser Existenzrecht in diesem Land zu kämpfen. Muss denn erst etwas ganz Schlimmes passieren, damit wir uns wieder zusammenfinden werden?
Es tut mir leid, dass ich den heutigen Tag so negativ beginne. Aber so wie jetzt kann es wirklich nicht weitergehen. Wir müssen zur Besinnung kommen und verstehen, dass wir kein anderes Land haben. Und wenn wir nicht aufhören, uns zu streiten, kann das von unseren Feinden ausgenutzt werden. Wie sagt man? Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Wir sollten “den Dritten” nicht vergessen. Denn schon jetzt versucht er uns durch täglichen Terror schwach zu machen. Und das darf nicht passieren.
In diesem Sinne wünsche ich Euch einen angenehmen Tag. Ich freue mich, Euch als Leser zu haben. Gerne würde ich Eure Meinungen lesen, dafür habt ihr unter jedem Artikel die Möglichkeit zu kommentieren. Und nun macht es gut. Später gibt es weitere aktuelle Meldungen und Bilder aus Israel. Shalom aus Israel!
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Die Diskussion um die geplante „Justizreform“ greift zu kurz. Die Frage ist doch, für welche finstere Pläne die Regierung die Kontrollmechanismen durch Gerichte etc. abschaffen will. In meinen Augen wird die Regierung eine 3. Intifada provozieren, um auf deren Welle weitreichende Änderungen am Status Q vornehmen zu können. Das wird die Reputation Israels auf der Welt vollständig zerstören und die Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigen. Ich halte es auch im Rahmen des möglichen, das Israel einen Krieg mit dem Iran beginnt.