Alles wird gut! Wirklich?

Das starke Erdbeben in der Türkei und Syrien hat uns Israelis geschockt. Sofort wurde vor einem starken Beben auch bei uns gewarnt und darauf aufmerksam gemacht, dass wir für ein Beben dieser Größenordnung nicht vorbereitet sind. Warum wachen wir immer erst auf, wenn etwas passiert. Es scheint unser altes Problem zu sein, die Kultur des “alles wird gut werden”, auf Hebräisch “Jehie Beseder!”

Guten Morgen liebe Leser!

“Jehie Beseder”, Hebräisch für “alles wird gut”, ist einer der ersten Sätze, die ich auf hebräisch gelernt hatte. Immer wieder hörte ich diesen Satz, wenn ich eine Frage hatte, oder etwas nicht verstand. “Mache Dir keine Sorgen, alles wird gut!”, hörte ich dann. Auch Handwerker beruhigen uns immer wieder gerne mit dem “alles wird gut”, wenn wir uns um die hohen Kosten sorgen. “Alles wird gut” ist die magische Formel, die alle Probleme löst. Jedenfalls in dem Moment, wenn wir uns über irgendetwas Sorgen machen. Wie oft habe ich diesen Satz gehört und wie oft musste ich später feststellen, dass eben nicht alles in Ordnung war.

Und das ist auch das Problem, wenn es um die Vorkehrungen für ein schon seit langen erwarteten Erdbeben bei uns geht. Solange in unserer Umgebung nicht viel passiert, beruhigen wir uns mit dem “alles wird gut”, schließlich haben wir noch andere Probleme. Doch was nützt es uns, gegen die hohen Lebenskosten zu kämpfen, wenn viele nach einem Erdbeben kein Dach mehr über den Kopf haben, oder noch schlimmer, sich um nichts mehr kümmern müssen, weil sie nicht mehr existieren.

Das schlimmer Erdbeben in der Türkei und Syrien hat uns aufgeweckt, so wie immer, wenn es in unserer Nähe zu einem Erdbeben kommt. Dann wird plötzlich darüber gesprochen, wie wichtig es doch ist, die zahlreichen alten Gebäuder erdbebensicher zu machen. Dafür wurde sogar schon vor Jahren ein Projekt ins Leben gerufen, “Tama 38” heisst es.

Was ist Tama 38?

Im Rahmen dieses Projekts sollen alte Gebäude verstärkt und oft total umgebaut werden. Und tatsächlich kann man an zahlreichen Ecken in Städten wie Tel Aviv und Ramat Gan diese Projekte sehen. Doch wenn man etwas außerhalb des Großraums Tel Aviv sucht, sucht man vergebens nach Gebäuden, die im Rahmen des Projektes gestärkt und erneuert werden. gerade Städte wie Afula und Tiberias im Norden des Landes sind bei einem starken Erdbeben besonders gefährdet. Dort gibt es viele ältere Gebäude, die bei einem starken Beben wie Kartenhäuser in sich zusammenfallen werden. Warum kümmert man sich nicht darum? Die Antwort ust einfach. Es lohnt sich einfach nicht für die Bauunternehmer. Die Wohnungen dort sind einfach viel zu billig. Da geht man doch viel lieber in die teuren Wohngebiete im Großraum von Tel Aviv. So kam es, dass ein wirklich gutes Projekt für die Vorbereitung auf ein starkes Beben nicht dort angewendet wird, wo es am nötigsten wäre. Aber ist ja auch egal, “alles wird gut werden”, oder?

Jetzt sind alle wieder aufgewacht und reden davon. Doch leider bin ich mir sicher, dass wir in einiger Zeit, wenn die Überlebenden des Bebens geborgen wurden und dort mit dem Wiederaufbau begonnen wird, wieder in unseren ganz normalen Alltag versinken werden. Die neuen Pläne für die Vorbereitung auf das nächste große Erdbeben werden wieder in einer Schublade landen, um dann, bei der kommenden Katastrophe, wieder in die Hand genommen werden, sollte es dann nicht schon zu spät sein.

In der Zwischenzeit sind israelische Rettungskräfte der Armee bereits in der Türkei, um zu helfen. Israel hat hat eine lange Geschichte, was Hilfeleistungen in anderen Ländern betrifft. Eine Liste der Einsätze könnt Ihr hier sehen.

Israelische Rettungsteams der Armee im Einsatz in der Türkei.

Wenn es um Hilfeleistungen und Rettungseinsätzen in anderen Ländern geht, ist Israel oft eines der ersten Länder, die Hilfe schicken. Wir sind wirklich stolz darauf, mit welchem Einsatz unsere Teams sich bemühen, Menschenleben zu retten. Doch leider muss ich mich fragen, warum wir uns sonst nicht genug darum kümmern, gerade dann, wenn wir Zeit dazu haben. Wenn wir nicht jetzt sofort damit beginnen, uns auf das nächste starke Erdbeben in Israel vorzubereiten, werden wir diejenigen sein, die andere Länder um Hilfe bitten müssen. Nichts wird “gut sein”, wenn wir nicht jetzt damit anfangen, etwas dafür zu gut, damit dann wirklich “alles gut sein wird”.

Gestern Abend flog eine weitere Delegation der israelischen Armee in die Türkei.

Und nun hoffe ich, dass wirklich alles gut werden wird, für die Betroffenen dieses schlimmen Erdbebens, aber auch für uns hier in Israel. Jetzt haben wir es vielleicht noch in der Hand, dass alles etwas besser sein könnte.

Und damit verabschiede ich mich erst einmal, später gibt es dann weitere aktuelle Nachrichten aus Israel. Ich wünsche Euch einen wunderbaren Tag. Shalom aus Israel!



Kategorien:Aktuelles, Der Blog

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