Was für ein Datum

Guten Morgen liebe Leser!

Wie jeden Morgen um diese Zeit sitze ich wieder im Zug auf meinem Weg nach Tel Aviv. Es ist schon Mittwoch, sodass ich schon so langsam auf das kommende Wochenende und den Shabbat schiele. Der Zug ist heute nicht ganz so voll wie zu Beginn der Woche, es ist relativ still in meinem Wagon. Die meisten meiner Mitfahrer sind mit ihren Handys beschäftigt, einige lesen sogar ein Buch. Es ist eigentlich ein ganz normaler Tag. Ist es das?

Heute haben wir den 9. November. Ein besonderes Datum. Was ist Euer erster Gedanke bei diesem Datum? Ich bin mir fast sicher, dass sich sehr viele an den Fall der Mauer erinnern werden. Und erst etwas später wird einem dann bewußt, was an diesem Datum noch passiert ist. Es ist schon verrückt, dass der Fall der Mauer ausgerechnet am 9. November passierte. Am Anfang war sogar geplant, an diesem Tag den neuen Tag der deutschen Einheit zu feiern. Doch am Ende entschied man sich für den 3. Oktober.

Denn viel zu feiern sollte es an diesem Tag eigentlich nicht geben, heute vor 84 Jahren wurden in Deutschland die Synagogen zerstört. An was denkt Ihr, wenn Ihr am 9. November aufwacht?

Ich gebe zu, dass der Fall der Mauer auch bei mir einen großen Eindruck hinterlassen hat, aber ich werde nie vergessen, dass dieses Datum auch den Beginn vom Ende des jüdischen Lebens in Deutschland darstellt. Wieso mussten diese beiden historischen Ereignisse auf dasselbe Datum fallen? Aber vielleicht hat es ja auch seinen Grund? Denn irgendwie haben ja beide Ereignisse etwas miteinander zu tun. Der Bau der Mauer könnte ja quasi als eine Art Strafe für Deutschland angesehen werden, das nach dem Krieg aufgeteilt wurde. Aber ich möchte Euch jetzt nicht zu sehr mit meinen Gedanken belasten.

Ich denke jetzt gerade an meine Heimatstadt Oldenburg, in der es nach dem 2. Weltkrieg keine jüdische Gemeinde mehr gegeben hatte. Die Synagoge war zerstört, die jüdischen Bürger wurden in der gewissen Nacht aus ihren Häusern gezerrt und in das örtliche Gefängnis gebracht, um von dort dann in das Lager Sachsenhausen gebracht zu werden. Gegenüber des Standorts der ehemaligen Synagoge gibt es heute eine Tafel mit den Namen der Juden, die damals in Oldenburg gelebt hatten.

Jüdisches Leben in Oldenburg

Ich bin stolz, an dem Wiedererstehen der Jüdischen Gemeinde von Oldenburg beteiligt gewesen zu sein. Alles begann in den 80er Jahren mit dem Entschluss von meiner Mutter und mir, Hebräisch lernen zu wollen.

Mehr darüber könnt Ihr auf der Webseite der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg nachlesen. Dort werde ich unter meinem Geburtsnamen Björn Ihle erwähnt. Es ist wirklich eine enorme Geschichte. Seit 1995 hat Oldenburg auch wieder eine Synagoge, sehr nah an dem Ort der damaligen Synagoge, die zerstört worden war.

Die Synagoge von Oldenburg, oben rechts ein Stein mit den Worten Beit Elohim, das Haus Gottes, der Stein stammt aus der alten Synagoge. Unten rechts das Mahnmal genau dort, wo die Synagoge damals gestanden hatte. Fotos: Dov Eilon

An diese Dinge erinnere ich mich am 9. November. Und mein Zug ist schon fast wieder an der Station angekommen, wo ich aussteigen und mich erst einmal von meinen Erinnerungen und Gedanken trennen muss.

Eine Sache noch: mir ist aufgefallen, dass ich heute früh nicht eine einzige Erwähnung dieses so wichtigen Tages in unseren Nachrichten gehört habe. Aber vielleicht wird heute Abend auf diesen historischen Tag eingegangen. Es ist ein wichtiger Tag für die Juden, die heute ihren eigenen Staat haben. Niemand sollte diesen Tag vergessen.

In diesem Sinne wünsche ich Euch einen angenehmen Tag. Jetzt geht es mit dem Alltag weiter. Über Politik werde ich dann ab morgen wieder reden. Shalom aus Israel!



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  1. Lieber Dov,
    Ja, der 9. November ist ein Gedenktag in Deutschland. Es wird sowohl des Mauerfalls, als auch der Pogromnacht gedacht. Wobei meine Tageszeitung heute nur an die Pogromnacht erinnert, und den Mauerfall nicht erwähnt hat.
    Und nein, der 9. November ist kein Feiertag! Es wird normal gearbeitet. Die deutsche Vereinigung wird am 3. Oktober gefeiert, und dies ist dann auch tatsächlich ein Feiertag.
    Ganz herzliche Grüße und גרמניה!
    Jens/יוחנן

  2. Lieber Dov, deine Gedanken und Gefühle zu diesem Tag kann ich sehr gut nachempfinden. Und ja, es ist ein Tag, der hier in D zwiespältige Gefühle auslöst.
    Aber auch ich möchte dich nochmal bitten, deine Texte, bevor du sie abschickst, noch einmal durchzulesen. Ich weiß, dass in IL immer alles GANZ schnell gehen muss, aber deine Texte mit sehr interessanten Inhalten lesen sich auf Grund der vielen Fehlerteufelchen, die immer mitten rein springen, oft ein wenig holprig.
    Bitte nicht übel nehmen! Grüße von Brigitte aus Berlin

  3. Nochmals vielen Dank für all die Einblicke , die Sie gewähren auf Ihrer morgendlichen Fahrt zur Arbeit 👍😊

    Kann man auch irgendwo nachlesen , wie Sie und Ihre Mutter ausgewandert sind und wie es Ihnen ergangen ist in dieser Zeit ?

    Grüsse aus der Eifel
    und bitte weiter so…☺️

    Ursula Jetter 🙋🏼‍♀️

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