Sind die Wähler der Rechten dumm und arm?

Guten Morgen liebe Leser!

Heute früh wurde ich vom Rauschen des strömenden Regens aufgeweckt. Genau fünf Minuten bevor mein Wecker geklingelt hätte. Der Regen draußen war enorm, wie eine riesige Wand aus Wasser. Die Meteorologen hatten recht gehabt.

Da ich keine Lust hatte, den Tag mit einem Regenschirm zu verbringen, ich weiss nie, wohin mit dem Ding, begann mein Tag mit einer dramatischen Suchaktion in meinem Kleiderschrank, der noch immer auf Sommer eingestellt ist. Ich suchte meine Regenjacke. Dabei muss ich eine der größten Erfindungen für das Handy loben, die Taschenlampe.

Nach einigen Minuten hatte ich dann meine Jacke gefunden, der Tag konnte beginnen. Jetzt sitze ich im Zug, mit meiner Regenjacke, während draussen plötzlich wieder die Sonne scheint. Israelischer Winter eben.

Auf dem Weg zum Bahnhof, immer mit der Zeitung, Bild: Dov Eilon

Auf meinem Weg vom Parkplatz zum Bahnhof bekam ich wie immer die aktuelle Ausgabe der Tageszeitung “Israel Hayom” von dem fleißigsten und höflichsten Zeitungsverteiler, den ich kenne, in die Hand gedrückt. Auf den Titelbild sieht man Benjamin Netanjahu beim Telefonieren mit US Präsident Joe Biden. Sechs Tage hatte er gebraucht, bis er sich durchringen konnte, den kommenden Ministerpräsidenten von Israel zu seinem Wahlsieg zu gratulieren.

Auch wenn sich die meisten bei uns an das Wahlergebnis gewöhnt haben, gibt es noch immer Menschen, die meinen, dass das Land nun endgültig verloren sei. Aber noch viel schlimmer sind einige mehr links orientierte Zeitungen außerhalb Israels, denn dort weiss man es ja bekannterweise immer besser. Israel werde nicht mehr das Land sein, wie wir es kennen, oder “Israel wird nicht mehr die einzige Demokratie im Nahen Osten sein”, lächerlich, meine ich. Und von den unmöglichen Vergleichen zu einem bestimmten rassistischen Diktator mit Schnauzbart möchte ich erst gar nicht reden. Diese gab es leider auch bei uns in Israel. Unmöglich.

Ich las einen Artikel der linken Tageszeitung “TAZ”, in dem sich der Autor, wahrscheinlich ein linksgerichteter Israeli, über das “Wahldebakel in Israel” beschwert. Ja wirklich, was für eine Katastrophe für unser Land. An einen Satz erinnere ich mich besonders gut:

“Erschwerend kommt die demografische Entwicklung hinzu. Die religiöse, konservative und ärmere Bevölkerung wächst deutlich schneller als die säkulare, liberale und etablierte.”

TAZ, https://taz.de/Israels-Wahldebakel/!5890171/

Rassistischer geht es geht nicht. Religiöse, konservative Menschen seien also ärmer und in den Augen des Autors wohl vor allem dümmer als die gehobene säkulare und liberale “Elite” (Elite ist von mir hinzugefügt). Und zu allem Übel vermehren sich die religiösen und konservativen Menschen auch viel schneller. Also wirklich, ich war fassungslos beim Lesen dieser Zeilen.

Aber auch heute werden Wähler des Likuds von der Linken als dumm und minderwertig abgetan. Sie wüssten nicht, was gut für das Land sei. Und jetzt müssen sich diese Linken erneut an Netanjahu als Ministerpräsident gewöhnen. Ich frage mich, ob wir dann auch bald wieder die Anti Bibi Demos am Samstagabend haben werden.

Leider sieht man hier ganz genau das Problem der Linken hier in Israel. In Israels Vergangenheit, bis zu den siebziger Jahren (eigentlich vielleicht auch noch heute, leider), wurden die Einwanderer aus den arabischen Ländern, also die sogenannten sefaradischen Juden, heute “Mizrachim” genannt, sehr abtrünnig behandelt, die sich bereits in Israel befindlichen Juden aus Europa, die “Ashkenazim” fühlten sich den Neuankömmlingen überlegen. Das mag sich sehr schlimm anhören, aber leider ist da etwas dran. Doch dann kam mit Menachem Begin im Jahr 1977 erstmals der Likud an die Macht, in dem viele der sefaradischen Juden ihre politische Heimat gefunden hatten. Ein damals sehr bekannter TV-Moderator hatte diese Menschen vor den Wahlen im Jahr 1981 abwertend als “Shachshachim” bezeichnet. Ich weiss nicht, wie ich Euch dieses Wort erklären kann. Aber es ist kein gutes Wort.

Menachem Begin reagiert auf die Äußerungen des TV-Stars Dudu Topaz.

So, liebe Leser, das waren jetzt ein paar ernste Worte. Mein Zug erreicht bald den Bahnhof, wo ich aussteigen muss. Lasst uns doch einfach optimistisch bleiben. Und vor allem sollte man der kommenden Regierung eine Chance geben. Und wenn wir nicht zufrieden sein werden, es wird immer eine weitere Wahl geben, und mit Wählen haben wir Erfahrung. Das nennt man Demokratie und die wird es in Israel auch in Zukunft geben.

Ich wünsche Euch einen tollen Dienstag, der Dienstag gilt bei uns als ein besonderes guter Tag. Also, alles Gute und Shalom aus Israel!



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