ANGST VOR WEITEREM HOLOCAUST

Die Leichtigkeit des Seins war noch nie das charakteristische Merkmal der Israelis. Zu sehr beschäftigt sie über den Alltag hinaus die Frage nach der puren wirtschaftlichen und physikalischen Existenz.
Obzwar sie intensiv und ausgiebig feiern, wann immer der religiöse Kalender oder familiäre Gelegenheiten dazu Anlass bieten: oft schweift der Blick schwammig in die Zukunft. Eigentlich möchte man sie sich nicht wirklich ausmalen, obschon das Land blüht, wirtschaftliche Erfolge das Selbstbewusstsein stärken und das starke Bevölkerungswachstum Indikator für eine positive Grundeinstellung zum Leben an sich ist.

Nun stellt sich anhand einer grossangelegten, von der Zionistischen Weltorganisation in Auftrag gegebenen Umfrage heraus, dass Kollektivängste nicht unbedeutend sind. 25% der Israelis befürchten, dass ein zweiter Holocaust die Juden dahinraffen werde, 24% glauben gar, dass der Staat Israel als Ganzes ausradiert werden könne. 62% der befragten Frauen bzw. 55% der Männer fürchten um ihre persönliche Sicherheit. Bei Reisen ins Ausland verbergen 65% der Israelis jegliches Anzeichen ihrer nationalen oder religiösen Identität.

Das mit der Umfrage betraute Institut „Midgam, Je’uz uMechkar“ (zu Deutsch: Modell, Beratung und Forschung) bezog auch die Auswirkungen statistisch erfasster Ängste in Bezug auf die in der Diaspora lebenden Juden mit ein. So fürchten 67% der Israelis um das Wohlergehen ihrer Glaubensbrüder im Ausland, 66% sind der Ansicht, die europäischen Regierungen würden nicht genügend effektiv den Antisemitismus bekämpfen; 14% meinen gar, die Europäer unternähmen gar nichts dagegen. 39% der Israelis halten dafür, dass die europäischen Juden nach Israel einwandern sollten. Gleichwohl haben 46% der Befragten Verständnis dafür, dass diese Option angesichts gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Vernetzungen nicht ergriffen würde.
Am kommenden Sonntag beherbergt in Jerusalem ein in Erinnerung ans Lebenswerk des 1992 verstorbenen Ministerpräsidenten Menachem Begin errichtetes Zentrum eine wichtige Versammlung. Im Beisein des israelischen UNO-Botschafters, Dany Danon, sowie des Parlamentsvorsitzenden, Yuli Edelstein, wird ein Kongress zur organisierten Bekämpfung der modernen Ausformungen des Antisemitismus durchgeführt. Im Visier steht primär die internationale Boykottbewegung BDS und die damit einhergehenden Konsequenzen für die internationale Stellung Israels sowie der jüdischen Diaspora. Neben der ausführlichen Darstellung der Umfrageergebnisse wird ein Zweijahresplan zur Bekämpfung des weitläufigen Antisemitismus ausgeheckt.
Ob der durchschnittliche Israeli seine Ängste durch solcherlei Aktivismus abdämpfen werde, mag füglich bezweifelt werden. Der optimistisch orientierte Israeli behauptet zwar steif und fest, alles werde gut. Das geflügelte Wort vom „Jih’je tov!“ ist sprichwörtlich! Doch gleichzeitig feiert er lieber heute ein Fest, denn morgen könnte es schon zu spät sein…
© Ronaldo Goldberger ( für Israel Direkt ) 



Kategorien:Audio Podcast, Hintergrund

1 Antwort

  1. Ja, diese Ängste habe ich auch, obwohl ich, eine alte Jidene, nicht
    in Israel lebe. Aber ich habe Verwandte dort. Und meine Gedanken sind fast pausenlos in Israel. Morgens, das erste was ich mache die
    Nachrichten im Netz anzuschauen. Mein Gesundheitszustand erlaubt mir eine Reise dorthin leider nicht. Darum auch bin ich froh, daß es Israel direkt gibt. Danke!
    lg
    caruso

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